Vortrag über Grenzen in der Erziehung
Als Thomas Grüner 2018 zu Gast in Schwarmstedt war, freuten sich die Vorstandsmitglieder des Präventionsrats, dass sie mit der Wahl des Referenten goldrichtig gelegen hatten. Über 100 Eltern, Erzieher:innen und Lehrkräfte waren der Einladung gefolgt. In diesem Jahr konnte Karla Schulz als 2. Vorsitzende des Vereins sogar 120 Gäste begrüßen, die alle gespannt auf den angekündigten Vortag des bekannten Diplom Psychologen zur Kunst der Grenzziehung warteten. Gemeinsam mit PaC Managerin Nicole Mittelstaedt und Simona Jeske von der KGS Schwarmstedt, die beide maßgeblichen Anteil bei der Organisation der Veranstaltung hatten, hieß man den Gast willkommen und erläuterte kurz, dass das Programm STARK, für das Grüner steht, inzwischen in Schwarmstedt etabliert ist. Der Präventionsrat versucht, über Lehrerfortbildungen, Fortbildungen für Erzieher:innen, Workshops, Theatervorstellungen und Fachvorträge Präventionsthematiken in Schwarmstedt nachhaltig zu verankern, viele der zertifizierten Angebote laufen seit Jahren zuverlässig.
Grüner verstand es auch in diesem Jahr wieder, den Themenbereich, der Mütter, Väter und Fachkräfte täglich beschäftigt, grundlegend darzustellen und Tipps für den Alltag zu geben.
Als Schwabe, der alles kann, außer Hochdeutsch, so er selbst, berichte er von der Erforschung der Bedingungen, die Kinder stark machen, von der Gehirnforschung, insbesondere von den körpereigenen „Drogen“, die der Motivation dienen, und von der Sanktionsforschung. Er selbst war als Drilling mit zwei Schwestern in einem schwäbischen Dorf aufgewachsen und hatte keine Lust zur Schule. Nur damit er bei den Schwestern blieb, kam er zur Realschule. Dann, nach einem Ferienjob, der ihm zeigte, was er auf keinen Fall will, ging bei ihm das Lernen erst richtig los. Menschen verändern sich, wenn sie emotional berührt sind, nicht, wenn sie zu getextet werden. All dies hatte Einfluss auf ein Programm, das er seit 1997 entwickelt und nach dem inzwischen viele Schulen und KiTas arbeiten; auch drei Grundschulen, die Förderschule und etliche Klassen in der KGS in Schwarmstedt.
Alle Menschen wollen glücklich sein, aber während sich Erwachsene vielleicht 10 Stunden Schlaf am Stück wünschen und Kinder, die immer ihre Hausaufgaben machen, wünschen sich die Kinder: „10 Stunden Pleesteschen“ oder den Besuch im Freizeitpark.
Das muss auf einen Nenner gebracht werden. Eltern möchten folgsame Kinder, aber diese bekommen Wutanfälle vor der Kaufhauskasse, weil sie eine Süßigkeit haben wollen und die Erfahrung gemacht haben, dass Eltern nachgeben, wenn sie nur laut genug schreien. Wenn diese den Erpressungsversuchen nachgeben, haben sie verloren; das Kind stellt immer mehr Forderungen. Sagen Erwachsene grundsätzlich Nein, befürchten sie, das Kind zu demütigen. Grüner empfiehlt, in etwa 70 – 80 % der Fälle konsequent zu bleiben; Eltern müssen sich auf wertschätzende Art durchsetzen, sonst hat das Kind keine Leitlinie und keinen Halt. Aber Eltern oder auch Erzieher sind in der heutigen Zeit nicht gerne eine Autorität, weil sie nicht autoritär wirken wollen. Das sei gerade in Deutschland verpönt, so Grüner, der den Anwesenden Mut machte, Grenzen zu ziehen, auf wertschätzende gewaltfreie Art. Er gab zu, dass dies anstrengender ist als ein Laissez-Fair-Stil, bei dem man einfach alles durchgehen lässt. Erwachsene möchten beliebt sein, scheuen die Anstrengung, Grenzen zu setzen. Aber Kinder wollen wissen, wie weit sie gehen können, und provozieren genau deshalb Eltern, Erzieher oder Lehrkräfte. Grüner rät zu frühzeitiger Reaktion, die vermeidet, dass die Aggressionen der Kinder und Jugendlichen über das sozial verträgliche hinausgehen. Die Hoffnung, dass sich unsoziales Verhalten auch von alleine auswächst, solle man aufgegeben; man müsse schon permanent aktiv sein. Wertevermittlung sei auch in der heutigen Zeit wichtig und richtig.
Um höfliche und respektvolle Kinder zu erziehen, müsse man „in den Kampf gehen“ und man müsse eindeutig in seinen Aussagen sein. Das allerwichtigste Merkmal einer erfolgreichen Erziehung ist nach Grüners Meinung Konsequenz; man müsse Kindern vieles erlauben, sie mit zunehmendem Alter selbst entscheiden lassen, aber wenn man etwas verboten hätte, dann müsse es auch dabei bleiben.
Kinder und nicht nur Kinder wünschen sich Zuwendung; dies könne man gut und viel besser als Strafen als Erziehungsmittel nutzen. Wenn man Leistungen anerkennt, sei dies kein Verwöhnen, sondern führe dazu, dass Kinder Motivation entwickeln, den Eltern zu gefallen. Andersherum werden Kinder, die z.B. durch Ärgern ihrer Geschwister die volle Aufmerksamkeit erlangen, dies immer wieder tun, denn „negative“ Aufmerksamkeit ist für ein Kind besser als keine. Auch der Spaß am Ärgern führe zu Adrenalinausschüttungen.
Erwachsene dürften sich zudem nicht vormachen, dass das unangepasste Verhalten „normal“ sei, dem Zeitgeist entspräche. Kinder und Jugendliche erkennen an der Reaktion der Erwachsenen sehr sicher, wie viel ihr soziales Verhalten wert ist. Die Reaktion der Erwachsenen sollte deshalb zuverlässig und berechenbar sein, dann erfahren Kinder und Jugendliche Halt. Bei erwünschtem Verhalten könne man dann mit Belohnungen rechnen.
Die Vorfreude löse Dopaminausschüttungen aus, die zu verbesserter Konzentration, Motorik und konzentrierterem Lernen führen. Dabei gilt es das richtige Maß zu finden; normales Verhalten müsse nicht belohnt werden, aber „Nicht geschimpft, ist genug gelobt“ sei auch nicht der richtige Weg. Eltern sollten wissen, dass man nicht verwöhnt, wenn man Leistung anerkennt, und dass es nicht leicht ist, die Grenzen zu halten, die man selbst gesetzt hat.
Thomas Grüner ist sicher, dass Strafen zwar Verhaltensanpassung bewirken können, eine Verhaltensänderung, die sich Eltern und Erzieher ja wünschen, erreiche man jedoch nur, wenn das Kind die intrinsische (von Innen kommende) Motivation entwickelt, sich so zu verhalten, wie die Eltern es sich wünschen.
Zum Schluss des interessanten, Mut machenden Vortags gab es viel Beifall für den Referenten und ein Dankeschön des Präventionsrats an die Zuhörer und an Thomas Grüner.